20. September 2022 | Werner Jörß und Tatjana Sadoja
Explodierende Strompreise – was tun?
Die Sorge über ausufernde Preissteigerung wächst.
Gasmangel und rasant steigende Heizkosten sind in aller Munde, von Regierungsseite werden gar „Millionen Heizungsausfälle im Winter“ befürchtet. Doch warum steigt der Strompreis ebenfalls? Aus Pressemeldungen könnte man den Eindruck gewinnen, dass hier ein direkter Zusammenhang mit Gas bestehen müsse. Das trifft aber nur sehr bedingt zu.
2021 lag der Anteil von Erdgas an der Stromerzeugung gerade mal bei 12,6 Prozent, Tendenz sinkend. Über 87 Prozent des bundesdeutschen Stroms wurde (in absteigender Reihenfolge) aus Kohle, Windkraft, Kernenergie, Photovoltaik, Biogas und Wasserkraft erzeugt.
Am 2. April 2022 dokumentierte die Tagesschau noch einen durchschnittlichen Strompreis in Deutschland von 40 Cent pro Kilowattstunde. Heute, lediglich vier Monate später, zeigt der Preisvergleich im Internet (Stand 5. August), dass Strom selbst beim billigsten Erzeuger bereits zwischen rund 50 und erstaunlichen 85 Cent je Kilowattstunde kostet. Mit etwas Glück muss man also „nur“ eine Erhöhung von 25 Prozent verkraften. Verbraucher mit einem ungünstigeren Vertrag kommen in den zweifelhaften Genuss von 80 Cent und mehr pro Kilowattstunde. Der Preis hat sich also mindestens verdoppelt und ein Ende dieser Entwicklung ist bislang nicht absehbar.
Doch woran liegt das eigentlich? Wie man oben sieht, spielt der Gasanteil gar keine so große Rolle. Zudem hat die Bundesregierung mittlerweile beschlossen, Strom aus Gas größtenteils durch Strom aus Kohle zu ersetzen, und damit den eigentlich beschlossenen Kohleausstieg vorerst aufgeschoben. Von den höheren und eigentlich unerwünschten CO2-Emissionen einmal abgesehen, gestaltet sich die Umsetzung dieses politischen Willens jedoch deutlich schwieriger, als es sich die Entscheidungsträger ausgemalt haben: Eingemottete oder gar stillgelegte Kohlekraftwerke können nämlich nicht „einfach so“ wieder in Betrieb genommen werden. Dem stehen technische Hürden entgegen, außerdem haben sämtliche Anlagen viel zu geringe Kohlevorräte, da die Transportkapazitäten zur Aufstockung fehlen. Ein weiteres Problem ist der akute Personalmangel. Die bereits vor geraumer Zeit entlassenen Spezialisten haben sich nämlich längst andere Jobs gesucht.
Pikanterweise gibt es sogar gesetzliche Hürden, denn die Regierung hat es unerklärlicherweise versäumt, parallel zu ihrem obigen Beschluss die für den Betrieb etlicher Kraftwerke erforderlichen Emissionsschutzauflagen zu senken – sodass diese nach geltendem Recht gar nicht in Betrieb genommen werden dürfen.
Selbst wenn sich all diese Komplikationen noch vor dem Winter lösen ließen, bliebe das wahrscheinlich größte Problem bestehen: Wir beziehen nämlich mehr als die Hälfte unserer Kohle ausgerechnet aus … Russland. Was sich daraus ergibt, muss wohl nicht näher erörtert werden.
Ein weiterer Grund für den Strompreisanstieg sind saisonale Faktoren. Die sommerlichen Temperaturen sorgen für erhöhten Kühlbedarf. Doch aufgrund der Hitze mussten bereits einige französische Atommeiler vom Netz gehen – was das Angebot verknappt und die Preise in die Höhe treibt, da wir regelmäßig Atomstrom aus Frankreich zukaufen.
Dazu kommt, dass es auf dem sogenannten Spotmarkt (der Börse für Strom) neben Einkäufern der Netzbetreiber auch Spekulanten gibt, welche die Gunst der Stunde nutzen. Was da genau abläuft, wissen nur Insider. Fest steht aber, dass Netzbetreiber aufgrund von Termindruck nicht selten gezwungen sind, Strom zu überhöhten Preisen einzukaufen, die sie dann an die Kunden weitergeben.
Zu guter Letzt kommt wieder unsere Regierung ins Spiel: Laut E.ON beträgt 2022 der gesetzliche Anteil an Steuern, Abgaben und Umlagen 40 Prozent des Strompreises, dazu kommen noch 22 Prozent für Netzentgelte. Lediglich 38 Prozent fallen für den eigentlichen Stromeinkauf, Service und Vertrieb an.
So viel zur derzeitigen Lage – aber was kann man tun?
Ob Privatperson oder Unternehmer: Überprüfen Sie unbedingt Ihren Vertrag in puncto Kosten, aber vor allem bezüglich der Preisbindung. Sollten Sie keine oder nur noch eine kurze haben, dann gilt es zu handeln. Preisvergleichsportale im Internet helfen hier. Laut Stiftung Warentest schnitten CHECK24 und Verivox am besten ab. Neben den Kosten und Ihren persönlichen Präferenzen (z. B. Ökostrom, Kündigungsfrist) sollten Sie also auf eine möglichst lange Preisbindung achten, einige wenige Schnäppchen mit einer Preisgarantie bis 2024 gibt es derzeit noch. Vermeiden Sie allerdings kleine, unbekannte Stromanbieter – egal wie verlockend der Preis sein mag. Die Marktturbulenzen der letzten Monate haben gezeigt, dass diese Verträge leider oft unsicher sind.
Quellen: destatis.de, handelsblatt.com, tagesschau.de, stern.de, bild.de, check24.de
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Ihre Autoren: Werner Jörß und Tatjana Sadoja, Sachverständige für Immobilienwertung